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Kirchenfenster 1/22

Sonne

Mein Mann hat einen Strauss Tulpen gekauft. Nun steht er leuchtend orange mitten auf unserem Küchentisch wie eine kleine Sonne. Wie ein leuchtender Anker in den Tagen, die grau und kurz vorbeiziehen.

Ich habe mir auch schon selber Blumen gekauft. Nur für mich. Es tut mir gut, wenn mir schon von weitem die Blüten heiter und freundlich zuzwinkern und sagen: «Schön, dass es dich gibt.» Manchmal brauche ich jemanden, der mich daran erinnert. Auch wenn das nur ich selbst bin. Aber was heisst schon «nur»?

Eine Woche lang steht der Strauss so leuchtend und duftend auf meinem Tisch. Jeden Tag sieht er ein bisschen anders aus, denn Tulpen wachsen auch in der Vase weiter. Die Stiele werden länger und die Blüten wandern zum Licht. Irgendwann wird auch der schönste Strauss welk, und schliesslich werde ich ihn dann wegwerfen. So ist das eben mit Schnittblumen, sie leben nicht ewig. Aber die eine Woche haben sie mich täglich erfreut. Dann ist der Platz auf dem Küchentisch wieder leer.
Wären die Blüten über Wochen und Monate unverändert so schön geblieben wie am ersten Tag, so wäre mein Staunen und die Freude darüber der Alltäglichkeit gewichen. Das Besondere war der kurze Genuss dieses kleinen Wunders.

Manche Dinge leben nur vom Moment: Musik zum Beispiel. Klar kannst du dein Lieblingslied immer und immer wieder abspielen bei den technischen Möglichkeiten, die sich Dir heute bieten. Trotzdem kannst du die Töne selbst nicht festhalten, genauso wenig, wie die Gefühle, die du beim Hören hast.
Und so ist es mit vielen Dingen. Das Besondere liegt im Augenblick. Das Wunder kannst du nicht festhalten. Aber das ist ja auch in Ordnung. Schönes kommt und Schönes geht. Wie alles im Leben, was nicht aus Plaste ist.

Beruhigend finde ich, dass auch die andere Seite nicht ewig besteht: Dinge und Begebenheiten, die mir unangenehm sind, mittelgute oder schlechte Tage, Trauer, Krankheit, Isolation. Da bin ich froh, dass sie nach gewisser Zeit überstanden sind und den Platz frei machen für Neues.

Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Da merkte ich, dass es nichts
Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben.
Denn ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine
Gabe Gottes (Prediger 3).

Das aktuelle Kirchenfenster März bis Juni 2022 zum Download (Klick aufs Bild)